Kinder- und Jugendbuch


Kapitel: Höllenfahrt ins Abenteuer

Kathi hat keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hat, als Judiths Aufschrei sie weckt. „Du meine … oh Gott!“ Eines dieser kleinen Mopeds mit drei Rädern und Verdeck versucht, sich links an ihrem Auto vorbeizuschieben. Ein anderes überholt im selben Moment rechts. Und dann kommt auch noch ein Lastwagen entgegen. Der Fahrer schmunzelt. Er kennt die Panik bei neu ankommenden Touristen, wenn sie den völlig chaotischen Verkehr hier erleben. „Diese Höllenfahrer! Die Tuktuks versuchen wirklich überall zu überholen. Links. Rechts. Ganz egal.“ „Tuktuks?“ Kathis Mutter nickt. „Kleine Taxis, diese dreirädrigen Motorräder mit Verdeck. Und weil die Motoren ein tuckerndes Geräusch machen, heißen sie so – zumindest wird das erzählt.“

Die Straße von Colombo nach Kandy ist brechend voll: überladene Lastwagen, Motorräder oft mit Vater, Mutter und mehreren kleinen Kindern besetzt oder als Transportfahrzeug hochbepackt, Radfahrer, Tuktuks. Ständig wird gehupt. Bürgersteige oder Radwege gibt es nicht, eingezeichnete Fahrspuren fehlen oft auch. Fußgänger sind am Rand der Straße unterwegs. Sie erledigen an den vielen beleuchteten Ständen am Straßenrand ihre Einkäufe.

Dunkel ist es mittlerweile, obwohl es erst kurz vor sechs Uhr ist. Gerade schien noch die Sonne, aber innerhalb weniger Minuten ist es stockdunkel.

„Das ist hier immer so.“ Judith dreht sich zu Kathi um. „Schneller Sonnenaufgang und schneller Sonnenuntergang. Das ist in Ländern am Äquator anders als bei uns in Europa.

Kathi klammert sich mit der einen Hand an den Griff der Tür, mit der anderen umfasst sie ihren Ele. Sie beobachtet, wie auch ihre Mutter immer noch verkrampft dasitzt. In dem heillosen Durcheinander entdeckt Kathi immer wieder Buddha-Statuen und beleuchtete Bäume, an denen bunte Wimpel im Wind flattern.

Endlich zeigt ein riesiger Buddha den Eingang von Kandy, und Judith sieht bei der Fahrt quer durch die Stadt aufgeregt aus dem Fenster und versucht, irgendetwas wiederzuerkennen, an das sie sich von ihrer früheren Reise erinnert.
„Schau, Kathi, das ist der Kandy-See. Und das beleuchtete Gebäude mit dem achteckigen Turm, das ist der Zahntempel. Den müssen wir uns unbedingt ansehen.“

Kamal biegt ab in eine sehr enge Straße. Plötzlich wird es rundherum still. Der Weg ist nur sehr spärlich beleuchtet. Als ein Tuktuk entgegenkommt, muss ihr Wagen anhalten und zurücksetzen, weil zwei Fahrzeuge nicht überall aneinander vorbeipassen. Kathi hofft, dass das auch wirklich der richtige Weg ist. Aber nach kaum einer Minute hält der Wagen vor einem hell beleuchteten Gebäude.

„View Hotel!“ Kamal stellt den Motor ab und steigt aus. Während er die Koffer aus dem Auto bugsiert, schiebt sich Kathi in den Arm ihrer Mutter. Schwül ist es auch hier, und seltsame Geräusche sind zu hören. In der Dunkelheit ist das alles fast ein bisschen unheimlich.

Am Eingang zum Hotel erscheint nun ein Mann, der nach zwei Jungen ruft, die eilig die Treppe herunter gelaufen kommen und die Koffer holen. „Bin ich froh, endlich da zu sein!“ Kathi streckt ihre lahmen Beine.

Seufzend reckt sich auch Judith, dann geht sie mit der Hotelbuchung in der Hand zur Rezeption. „Sie haben das Zimmer mit der schönen Aussicht, Mam. Zweite Etage, ganz oben.“ Er gibt den beiden Jungen ein Zeichen. Die schultern jeder einen Koffer und laufen damit erstaunlich leichtfüßig die Treppe hoch. „Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen? Björn Freytag, mein Mann, ist auch in diesem Hotel. Können Sie mir bitte die Zimmernummer heraussuchen?“

„B-jo-o-rn Freytag? Bjorn Freytag?“ Der Mann hantiert am Computer und blickt dann auf. „Ist gestern abgereist, Mam.“ Kathi schießen Tränen in die Augen, und auch Judith macht ein bestürztes Gesicht. Der Rezeptionist beginnt sich mit einem anderen Hotelmitarbeiter am Eingang zu unterhalten. Kathi und Judith verstehen kein Wort.

Während das Gespräch hin und her geht, greift Judith nach dem Schlüssel. „Mam, einen Moment bitte. Mein Kollege sagt, dass Ihr Mann bald zurückkommen will.” „Gott sei Dank!“ Judith fällt ein Stein vom Herzen. „Wenn er wiederkommt, ist ja alles gut. Was hat er gesagt? Wann kommt er?” „Sorry, Mam. Das wissen wir nicht.“

In: Weltreise Sri Lanka. Freiheit für Amila
Leseprobe_WeltreiseSriLanka.pdf